Ladina Bordoli lebt vor, wie man in einem Bau-KMU vorankommt: Mit vielseitigem Talent und feinem Gespür für die Menschen, den regionalen Markt und den richtigen Moment. Von Martin A. Senn
Wäre sie in Zürich aufgewachsen, hätte man Ladina Bordoli sofort in eine Klasse für Hochbegabte gesteckt. Aber in Jenaz, einem Dorf im bündnerischen Prättigau, auf halben Weg zwischen Schiers und Küblis, geht man die Dinge nicht so aufgeregt an. Als das Mädchen mit sieben Jahren, in einem Alter, in dem sich andere Kinder mit dem Alphabet herumplagen, bereits ihre erste Geschichte schrieb - eine über Zorro war’s - da freute man sich darüber, und die Eltern waren stolz. In eine andere Schule steckte man sie deswegen aber nicht.
Heute ist Ladina Bordoli 34jährig, und immer noch fällt ihr manches etwas leichter. Soeben ist ihr zweiter Roman in einem Grossverlag erschienen, sie führt eine eigene Werbetechnik-Firma, und die Ausbildung zur Fachfrau für Unternehmensführung KMU / SIU hat sie erfolgreich abgeschlossen. Das alles, wohlverstanden, macht sie nebenbei. Hauptberuflich ist sie seit über acht Jahren in der familieneigenen Baufirma tätig. Und das mit Leidenschaft.
Vierte und fünfte Generation
Als wir sie im winterlichen Jenaz besuchen, sitzt sie neben ihrer Mutter Maja im Büro der Bordoli Erben AG und erledigt Administratives. Der Vater, Martin Bordoli, ein Vorstandsmitglied des graubündnerischen Baumeisterverbands, schaut ebenfalls kurz herein. Als dann noch Bruder Dario, der in der Firma als Bauführer arbeitet, auf dem Korridor vorbeikommt, ist die vierte und fünfte Generation des Familienunternehmens komplett. So wie der Vater als operativer Chef und Verwaltungsratspräsident die Firma führt, und die Mutter die Administration leitet, so sollen dereinst Tochter und Sohn die Firma übernehmen.
«Ja, aber umgekehrt», korrigiert Tochter Ladina später im Sitzungszimmer. Womit die Frage, ob sie sich als Frau die Führung eines Bauunternehmens zutraut, schon mal vom Tisch ist. Die Voraussetzungen, um die Aufgabe eines Tages zu übernehmen, hat sie. Was sie in der Unternehmensführungsschule KMU / SIU lernte, konnte sie in mehrjähriger Alltagspraxis anwenden und ergänzen. Und als engagiertes Mitglied einer Erfa-Gruppe des Schweizerischen Baumeisterverbands ist sie auch mit den neusten Entwicklungen im Bereich der Personalführung vertraut.
Theorie und Praxis
Doch nicht alles, worauf die Berufskollegen in Zürich schwören, lässt sich im Prättigauer Alltag anwenden. «Wenn ich ein Personalbewertungssystem und formelle Jahresgespräche einführen wollte, dann würden mich die Mitarbeiter anschauen, als käme ich von einem anderen Stern und fragen, ob ich nicht ganz hundert sei», sagt sie. Im Prättigau seien die Leute halt noch «geerdet», man kenne sich und rede miteinander, wenn man ein Problem habe. «Wir sind weniger hierarchisch hier. Unsere Türen sind offen, wenn die Mitarbeiter ein Anliegen haben, dann kommen sie zu uns. Oft sind es persönliche Angelegenheiten, und wir helfen ihnen, etwa bei der Wohnungssuche oder bei Problemen mit den Behörden». Der Umgang ist herzlich, oft bringen Mitarbeiter sogar Geschenke mit. Das Strassenschild an der Baracke auf dem Vorplatz zu Büro und Werkhof ist eines davon. «Piazza Grande Bordoli» steht drauf.
Geschäftserfolg garantiert
Dass eine familiäre Atmosphäre allein noch kein Geschäftserfolg garantiert, weiss Ladina Bordoli aber nur allzu gut. In den letzten Jahren ist der Druck des Marktes im unteren Prättigau immer massiver geworden. Wegen dem Zweitwohnungsgesetz und der schleichenden Tourismuskrise weichen Baufirmen aus den bekannten Ferienorten, allem voran aus dem Engadin, zunehmend in die unteren Kantonsteile und ins Rheintal aus. Das zwang schliesslich auch das alteingesessene Familien-KMU Bordoli zur Änderung seiner langjährigen Anstellungspolitik. Die traditionell grosse Stammbelegschaft musste 2016 auf ein marktverträgliches Mass reduziert werden. Rund ein Dutzend Leute beschäftigt das Unternehmen jetzt noch ganzjährig. Wie bei den meisten Bündner Baufirmen wird die Belegschaft von Frühjahr bis Herbst aufgestockt, bei Bordoli auf 40 bis 50 Leute.
«Dieser Schritt war für uns emotional sehr schwierig», sagt Ladina Bordoli. Aber eine andere Lösung sah auch sie nicht. «Wenn wir versucht hätten, mit den Grossen mitzuhalten, dann hätten wir die Flexibilität verloren, um rasch auf neue Trends reagieren zu können». Deshalb hält Ladina Bordoli auch wenig von grosser strategischer Unternehmensplanung. «Man muss dann reagieren, wenn es nötig ist. Wann und wie lässt sich nicht planen», sagt sie.
Grosse Theorien seien ohnehin nicht ihr Ding. Deshalb habe sie nach der Matura in Schiers, die sie mit den Kernfächern Latein und Englisch ablegte, kein Studium angefangen. Was sie reizte und immer noch reizt, ist der «Ernstfall» der Praxis: «Weil man da bei einem Problem nicht wie an der Uni einfach sagen kann: dafür gibt es keine Lösung». Ihr erster Ernstfall war dann allerdings eher ein Reinfall: Sie brach die Hotelfachschule ab, weil sie den harschen Umgang mit den ausländischen Angestellten in dieser Branche nicht mit sich vereinbaren konnte. Und als sie anschliessend als Industriemalerin jobbte und merkte, «mit wie viel Respekt hingegen Handwerker behandelt werden», da war ihr klar, wohin sie wollte: ins Baugeschäft.
Seit 2009 arbeitet sie nun im elterlichen Betrieb. Wenn sie von der Vielseitigkeit der Aufgabe und der Arbeit mit den verschiedenen Menschen erzählt, glänzen ihre Augen. Weniger gute Erfahrung hat sie hingegen wie die meisten KMU mit dem «überbordenden Beamtentum» gemacht. «Eigentlich müssten wir eine zusätzliche Person anstellen, um all die Formulare auszufüllen», ärgert sie sich. «Man müsste schon die Firma schliessen, um ganz sicher keine Fehler zu machen.»
Der «muratore» und die Liebe
Doch dafür sind die Familie Bordoli und ihre Firma viel zu tief verwurzelt im Prättigau. Seit sich 1888 ein gewisser Anton Bordoli, ein «muratore» aus Norditalien, in Grüsch verliebte, heiratete und eine Baufirma gründete, gibt es die Bordoli Erben AG nun schon. Hauptsächlich beschränkt sich die Firma auf den regionalen Markt, auf das Gebiet zwischen Chur und Davos. Spezialarbeiten wie das Natursteinmauerwerk werden jedoch in der gesamten Deutschschweiz (Cham, Affoltern am Albis, Toggenburg) ausgeführt. In der Region rekrutiert die Firma auch ihre Lehrlinge, deren Ausbildung dem Chef, Martin Bordoli, ein besonders grosses Anliegen ist.
Auch wenn sie mittlerweile mit einem Erfolg Bücher schreibt, um den sie manch ein anderer Jungautor beneidet: von der grossen Karriere als Schriftstellerin träumt Ladina Bordoli nicht. «Natürlich bin ich begeistert, wenn meine Bücher den Leuten Freude machen, aber nur noch Schreiben, das möchte ich nicht», beteuert sie. «Ich sehe mich eher als Kaleidoskop, das aus verschiedenen Teilen besteht».
Und wenn sie trotzdem mal abheben sollte, sind da immer noch ihre Wurzeln im Prättigau, die sie auf den Boden holen. Ihr neuster Roman, den sie für den deutschen Grossverlag Bastei Lübbe geschrieben hat, spielt sogar in ihrer Heimat. «Das Prättigau ist mein Auenland», begründet sie dies in einem Medien-Portal mit einer bekannten Geschichte von J.R.R. Tolkien: «Die Menschen hier sind den Hobbits manchmal sehr ähnlich. Sie haben einen liebenswerten Humor und lassen sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Sie leben ihre grossen und kleinen Traditionen nach wie vor mit Hingabe, das ist sehr schön. Ich denke, das Prättigau hat es verdient, in der weiten Welt erwähnt zu werden, denn so viele Auenländer gibt es da draussen nicht mehr». Schöner lässt sich die Verankerung auch eines KMU ins seiner Region kaum beschreiben.
Schweizer Bauwirtschaft, 14. März 2018
Bücher von Ladina Bordoli
• Das Tal der Rosen, Bastei Lübbe Verlag 2017, 292 Seiten ISBN 9783741300523
• Die Lazarus Verschwörung, Fabylon Verlag 2016, 200 Seiten ISBN-13: 9783927071674
Beide Titel sind sowohl als eBook und als Druckversion erhältlich